Stühle bauen

Ein Wahlkurs Holz von Gerhard Schebler

Der Wahlkurs wurde im ersten Halbjahr 2005/2006 am Erasmus-Grasser-Gymnasium für Schüler ab der siebten Jahrgangsstufe angeboten. Es fanden sich aber letztendlich nur drei Schüler ein, von denen zwei in der sechsten, einer in der fünften Klasse waren. Dies brachte zwar einerseits erhebliche Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung mit sich, andererseits aber führte der unbekümmerte Gestaltungsdrang der Unterstufenschüler zu recht eigenständigen Ergebnissen. Die hier vorgestellt Umsetzung ist daher nur bedingt auf größere Gruppen mit älteren Schülern übertragbar.

1. Ideenskizzen     [2 Schulstunden]

Anhand eines Arbeitsblattes werden die Schüler mit einem in Zeichnungen sich entwickelnden Konzeptionsprozess vertraut gemacht. Vorgestellt werden etwa Skizzen Leonardo da Vincis, in denen er einerseits Naturvorgänge analysiert und andererseits aus dem Linienspiel Apparate und Maschinen entwickelt. Anhand von Skizzen Hans-Jörg Voths wird gezeigt, wie eine erste flüchtige Idee in einer Serie von Zeichnungen immer mehr Gestalt annimmt bis hin zum maßgenauen Bauplan.

Zur Anregung des eigenen Konzeptionsprozesses werden den Schülern Abbildungen verschiedener historischer und aktueller Stühle gezeigt. In dieser Phase gibt es keinerlei Vorgaben oder Überlegungen zur Machbarkeit. Die Schüler sollen ihrer Phantasie freien Lauf lassen und den Stuhl für sich neu erfinden.

Die Ideenskizzen werden zu Hause weitergeführt, modifiziert und ergänzt.

2. Besprechung der Ideenskizzen      [1 Schulstunde]

Die Schüler erläutern nun in der Runde ihre Entwürfe. Da die Teilnehmer des Wahlkurses wenig bis keine Fertigkeiten der Raumdarstellung hatten, wurden die Skizzen unter Anweisung des betreffenden Schülers vom Kursleiter umgezeichnet und in Vorder- und Seitenansicht konkretisiert.

Der Kursleiter sollte zu Hause in Ruhe überlegen, wie die Entwürfe umsetzbar sein könnten, was verändert und angepasst werden muss.

3. Der maßgenaue Bauplan     [2 Schulstunden]

Zu Beginn des Treffens werden die Ideenskizzen gemäß den Überlegungen des Kursleiters nochmals durchgesprochen und verändert. Nun sollen die Schüler auf Millimeterpapier eine maßstäbliche Vorder- und Seitenansicht ihres Stuhles zeichnen.

Hierfür wird ein möglichst neutraler Holzstuhl mit Lehne vom Lehrer bereitgestellt, an dem die üblichen Maße abgenommen werden können.

Schüler der Unterstufe stoßen bei der maßstabsgetreuen Umzeichnung an ihre Grenzen und müssen intensiv betreut und unterstützt werden.

Die Baupläne werden vom Kursleiter mitgenommen und nochmals in Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit überprüft.

Grundsätzlich tauchen folgende Probleme auf:

Wenn die Kosten in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden sollen (in diesem Fall 35.- € pro Schüler), muss fertig gehobeltes Fichtenholz in Standardmaßen verwendet werden. Hat der Kursleiter einen entsprechenden Maschinenpark zur Verfügung, könnte er das Holz auch selbst besäumen, sägen, zurichten und hobeln, was aber ein erheblicher Arbeitsaufwand ist.

Fertig gehobeltes Fichtenholz aus dem Baumarkt oder dem Holzfachhandel hat den Nachteil, dass die Kanten bereits gerundet sind, weshalb etwa plane Schlitz- und Zapfenverbindungen schwer möglich sind. Andererseits kann man dieses Holz für wenig Geld schon auf die benötigte Maße ablängen lassen.

Die Baupläne der Schüler müssen so angepasst werden, dass der Gesamteindruck des Stuhles erhalten bleibt und dennoch Normgrößen verwendet werden können. Es empfiehlt sich, den Plan nochmals selbst mit den entsprechenden Maßen in einer Dreitafelprojektion zu zeichnen und danach eine entsprechende Stückliste zu erstellen.

Dabei sind die für die Verbindungen nötigen Zugaben zu berücksichtigen. Ich habe mich entschlossen, den Schülern eine traditionelle Bauweise ohne Schrauben und Eisenwinkel zuzumuten. Die Beine und Querverstrebungen werden mit einer offenen oder einer halbseitig verdeckten Zapfenverbindung aneinandergefügt, für die Lehne kamen auch einfach Überblattungen zum Einsatz. Lediglich die Sitzflächen, aus Leimholz zugesägt, wurden mit Schrauben verbunden.

4. Einführung in die Holzkunde     [2 Schulstunden]

Die Schüler müssen zunächst einen Zugang zum Material Holz, seinem Aufbau und seinen konstruktiven Möglichkeiten gewinnen. Auf einem Arbeitsblatt erhalten sie verschiedene Furnierstreifen der wichtigsten einheimischen Hölzer (Eiche, Buche, Esche, Fichte, Ahorn).

Sie erkennen, wie aus einem Baum ein Brett wird und was dabei zu berücksichtigen ist (Lage der Jahresringe, Äste, Harzgallen etc.). Die Herkunft und Bedeutung von Maserung und Markstrahlen wird besprochen, ebenso der Unterschied zwischen Weich- und Hartholz. Besonderes Augenmerk wird auf die Gerichtetheit der Fasern gelegt und deren Bedeutung für die spätere Bearbeitung.

Mit Hilfe eines Arbeitsblattes lernen die Teilnehmer die wichtigsten Werkzeuge und ihre Namen kennen.

Die Schüler erhalten ein Stück eines sägerauen, unbesäumten Ladens, den sie nun von Hand  zusägen, abrichten und auf Dicke hobeln sollen.

5. Übung einfacher Verbindungen     [2 Schulstunden]

Nun sollen die Werkzeuge im praktischen Einsatz erprobt werden. Die Aufgabe besteht darin, eine einfache Überblattung aus zwei Fichtenleisten herzustellen. Besonderes Augenmerk wird auf den fachgerechten Einsatz von Schreinerwinkel und Streichmaß, sowie auf die Verwendung von Stemmeisen und Klüpfel gelegt.

6. Bau des Stuhles     [mindestens 10 Schulstunden]

Mit Hilfe der bereits passend abgelängten Bauteile ihres Stuhles versuchen die Schüler, sich hinsichtlich der anstehenden Arbeitsabläufe zu orientieren.

Zunächst werden die Bauteile angezeichnet, dann beginnt das Einsägen und Ausstemmen.
Das Herstellen der Zapfen bereitet den Schülern für gewöhnlich wenig Mühe. Es ist allerdings auf eine Einhaltung der Maße und einen möglichst geraden Sägeschnitt („halber Riß“) zu achten. Schwierig ist dagegen die Herstellung der Schlitze. Es empfiehlt sich, hierfür eine sog. Bohrhilfe für Holzdübel zu kaufen. Diese Vorrichtung kann man so einstellen, dass exakt an der gewünschten Stelle ein weitgehend lotgerechtes Loch gebohrt werden kann. Die Stärke der Zapfen sollte sich deshalb an der Größe der Bohrer orientieren (In unserem Fall 10 bzw. 12 mm).

Die Schüler markieren mit einem Klebeband die Eintauchtiefe des Bohrers und können ihre Löcher unter Mithilfe eines Assistenten, der die Bohrhilfe festhält, problemlos bohren. Pro Schlitz führen sie drei bis vier eng aneinander liegende Bohrungen durch, die sich dann recht leicht mit dem Stemmeisen nachstemmen lassen.

Die drei in dem vorgestellten Wahlkurs entstandenen Stühle mit ihren Eigenarten im Überblick:

Alexander Seif

Der Stuhl hatte eine im rechten Winkel zur Sitzfläche stehende Lehne, was den Bau sehr erleichtert. Allerdings wollte Alexander eine trapezförmige Sitzfläche. Deshalb mussten die seitlichen Querverstrebungen im entsprechenden Winkel gesägt und angefügt werden. Dies ist schwierig anzuzeichnen und technisch umzusetzen.

Alexander wollte außerdem seine Lehne mit einem Drachen bekrönen. Hierfür musste ein passendes Holzstück eigens beim Schreiner angefertigt werden. Alexander zeichnete zunächst einen Entwurf des Drachens in Originalgröße, der dann ausgeschnitten und dessen Umriss anschließend auf das Holz übertragen wurde. Die grobe Form des Drachens musste mit der Stichsäge ausgeschnitten werden: Ein schwieriges und nicht ungefährliches Unterfangen für einen Fünftklassler.

Nach einer kurzen Einführung in die Technik des Schnitzens fertigte Alexander einen bemerkenswert gut gelungenen Drachen. Das Schnitzen ist allerdings sehr zeitaufwändig und bringt die Schüler an der Rand ihrer Leistungsfähigkeit.

Florian Seif

Der Stuhl wurde nach einem sehr reizvollen Entwurf gebaut, der freilich nicht leicht umzusetzen war. Florian wollte die mit einem Lattengitter gefüllte Lehne auf zwei schräge Bauteile aufsetzen, gleichzeitig sollte die Lehne aber nach hinten geneigt sein. Die doppelte Neigung konnte nur durch eine nachträgliche Verbindung zweier Kanthölzer erreicht werden, was etwas auf Kosten der Stabilität geht.

Florian plante mehrere Querverstrebungen ein, die konstruktiv sehr sinnvoll sind, weil durch sie die Stabilität erhöht wird und die Bauteile schlanker gestaltet werden können. Allerdings stehen dann sehr viel mehr Verbindungen an, was immer wieder Motivationstiefs zur Folge hatte.

Illya Volodchenko

Illyas Stuhl sollte eine geneigte Lehne, geschnitzte Beine und eine Sitzfläche aus Lederflechtwerk haben. Die Neigung der Lehne kann nur unter relativ hohem Materialaufwand durch Zusammenleimen zweier Kanthölzer erreicht werden, die dann in der entsprechenden Neigung zugesägt werden. Hierbei tritt die Schwierigkeit auf, dass die Klebefuge wegen der abgerundeten Ecken sichtbar bleibt. Die Lehne sollte nach oben rund abschließen. Hierzu mussten aus entsprechend dicken Brettern mit der Stichsäge nach einer Pappschablone zwei Kreissegmente ausgeschnitten und mit vollverdeckten Zapfenverbindungen verbunden werden.

Für die Stuhlbeine, die als Fruchtbänder gestaltet werden sollten, erstellte Illya zwei Kartonschablonen, schnitt diese aus und übertrug den Umriss auf die Kanthölzer. Nach Grobschnitt mit der Stichsäge wurden die Beine geschnitzt. Dabei war darauf zu achten, dass die Einkerbungen zwischen den Früchten nicht die Stabilität des Beines verminderten.

Nach der Vorbereitung der Holzverbindungen wurden die Stühle zusammengeleimt, wofür in ausreichender Zahl Zwingen verschiedener Länge sowie Zulagen zum Schutz des Holzes zur Verfügung stehen sollten. Austretender Leim wird sofort mit einem feuchten Lappen weggewischt. Sind die Verbindungen nicht passgenau, so können kleine Furnierstreifen auf die Zapfen aufgeleimt werden

Ist der gesamte Stuhl verleimt, wird er mit gröberem Schleifpapier (80er oder 100er Körnung) entlang der Faser geschliffen.

7. Farbige Gestaltung und Oberflächenbehandlung     

[4 Schulstunden]

Nach einer kurzen Einführung in die grundsätzlichen Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung, entschieden sich alle Schüler für das Beizen und Lackieren des Stuhles. Die Beize ist relativ billig zu erwerben und nach Auflösen in heißem Wasser sofort Einsatzbereit. Leider können gebeizte Holzteile nicht mit Lack auf Wasserbasis behandelt werden, da sich die Beize wieder anlöst.

Vor dem Auftrag der Beize müssen die Stühle mit warmem Wasser gewässert werden. Nach der Trocknung erfolgt dann ein Feinschliff, mit dem die aufgestandenen Holzfasern abgenommen werden.

Das Beizen sollte zügig vor sich gehen, um dunklere Stellen durch mehrfachen Beizeauftrag zu vermeiden. Das Lackieren mit lösungshaltigem Lack wurde durch den Lehrer ausgeführt.