Seminar für Kunsterziehung                am Erasmus-Grasser-Gymnasium, München                       Seminarleiter Martin Gensbaur   

   Das Unterrichtsgespräch


Zum elementaren Handwerkszeug eines jeden Pädagogen gehört die Fähigkeit einen informativen Lehrvortrag zu halten ebenso wie die Gabe seine Schüler zum Sprechen zu bringen. Wir nennen das Lehrer-Schülergespräch oder auch Unterrichtsgespräch. Zu diesem Thema findet der Kunsterzieher relativ wenig in seiner speziellen Fachdidaktik. Ich fasse im Folgenden Hinweise aus allgemeinen Quellen zur Praxis der Pädagogik zusammen .
Zunächst stellt sich gerade manchem Referendar anlässlich seiner Hospitationsstunden, oft auch manchem Schüler, die Frage, wozu ein Lehrer offensichtlich nach etwas fragt, was er schon weiß. Wieso beschränkt sich der Unterrichtende nicht einfach auf seinen informativen Vortrag? H.D. Göldner meint hierzu: " Das Unterrichtsgespräch stellt höhere Ansprüche an das selbstständige Denken, setzt aber vor allem die Fähigkeit, seine Gedanken verständlich mitzuteilen, voraus" . Ich denke, dass es genau um diesen Aspekt geht. Der Schüler bleibt über die Fragen des Lehrers mit dem Lehrer in Kontakt, hat die Möglichkeit sich einzubringen und lernt ganz nebenbei sich richtig zu artikulieren, was zu unserem elementaren Bildungsauftrag gehört.
Im Folgenden beschreibe ich in knappen Zügen die grundlegenden Aspekte, auf die man bei der Durchführung eines solchen Unterrichtsgesprächs achten sollte. Sicher kann es hier keine Gebrauchsanleitung geben, da gerade die Gesprächsführung stark vom Temperament des Lehrers, von der Tagesverfassung von Lehrer und Schülern und nicht zuletzt auch von einer gewissen gegenseitigen Einübung grundlegender Verhaltensweisen beim Unterrichtsgespräch abhängig ist.

1. Achten Sie auf Ihr Sprachverhalten:
- Die Stimme sollte angemessen laut und gut hörbar sein. Ihre Aussprache sollte klar und verständlich sein. Um Monotonie in der Sprache zu vermeiden sollten Sie die Klangfarbe sinnvoll modulieren.
- Kontrollieren Sie Ihren Redeumfang, auch wenn Sie sich viel vorgenommen haben! Reden Sie Ihre Schüler nicht mundtot!
- Passen Sie das Vokabular der jeweiligen Alterstufe an! Vermeiden Sie zu viele Fremdwörter in der Unterstufe! Sprechen Sie nicht wie ein "netter Onkel"zu den Kollegiaten!
- Reiten Sie nicht auf Nebensächlichkeiten herum! Behalten Si Ihren Gesprächsfaden im Auge! Schüler lenken natürlich rasch ab und bringen den Lehrer schnell dazu sich zu verzetteln.
- Korrigieren Sie falsche Antworten!
- Loben Sie die Schüler differenziert, d.h. nicht übertrieben, aber schon mal sichtlich erfreut, wenn etwas sehr konstruktiv oder überraschend gut ist!
- Geben Sie sich mit "Halbantworten", mit zugeworfenen Brocken etc. nicht zu schnell zufrieden! Fragen Sie durchaus einmal deutlich nach!
2. Üben Sie das Formulieren und das gezielte Einsetzen von Fragen im Unterricht:
- Fragen können unterschiedlichster Natur sein. Man kann viele unterschiedliche Absichten innerhalb des Unterrichtsgesprächs in Frageform kleiden: Vergleiche, Anlaysefragen, Folgerungen, Wertungen, Hypothesenbildung, Entscheidungen, Präzisierungsfragen, Weiterführungen, Verbesserungen, Begründungen, Reflexionen und man kann mit Fragen das Gespräch auch ganz gezielt beschleunigen oder verlangsamen.
- Immer sollte das Ziel Ihrer Fragen im Unterrichtsgespräch eine möglichst breite Aktivierung der Schülergruppe sein (s.o.). Vermeiden Sie deshalb ein Privatgespräch mit einigen wenigen Leistungsträgern der Klasse!
- Ertragen Sie ruhig auch die manchmal entstehende Ruhe nach Stellung einer Frage. In der Literatur spricht man hier sogar von einem gewissen "horror vacui", den es zu ertragen gilt.
- Versuchen Sie immer wieder die Methode des sog. "Fragetrichters". Fragen Sie erst die ganze Gruppe bevor Sie die Frage gezielt an Einzelne weitergeben ( Dazu ist es wichtig rasch die Namen der Schüler zu kennen)!
- Mit gezielten Fragen kann der Lehrer ganz gezielt in "Schwätznester" eindringen, wobei man wiederum vermeiden sollte nur mit den Störern oder den besonders auffallenden Schülern zu kommunizieren.
- Sprechen Sie Ihre Schüler grundsätzlich möglichst namentlich an! Lassen Sie die Schüler ausreden!
3. Wie soll man die Frage formulieren?
- Das Fragewort soll immer am Anfang stehen.
- Die Frage darf die Antwort nicht enthalten ("wie viele Blätter hat ein vierblättriges Kleeblatt?)
- Stellen Sie keine Suggestivfragen ( "meint ihr nicht auch...?)
- Bilden Sie keine "Fragekaskaden", keine zu komplizierten Formulierungen, denen die Schüler nicht mehr folgen können!
- Fragen Sie umgekehrt nicht zu engmaschig ( Antwort: ja oder nein)!
4. Wie soll man auf Schülerantworten reagieren?
- Vermeiden Sie das "Lehrerecho"! Bitten Sie eher den Schüler, dessen Antwort akustisch schwer verständlich war, selbst noch einmal seine Antwort zu wiederholen!
- Überformen Sie die Schülerantworten nicht um zu dem von Ihnen angestrebten Ergebnis zu kommen! Verlagern Sie evtl. eine gute Antwort, die Ihnen nicht voll in den Zusammenhang passt, auf später ("dazu kommen wir später"), wobei derartige Versprechen eingelöst werden sollten!
- Geben Sie eine Schülerfrage ruhig auch mal weiter an die Klasse! Achtung! Dabei kann es schnell einmal wie in einer Talkrunde zu einem Redebrei kommen. Schüler nutzen derartige Situationen mitunter bewusst aus zur Retardierung des Unterrichtsgesprächs und somit zur Vermeidung von zu viel Lernstoff.
5. Neben der Frage braucht das Unterrichtsgespräch auch Impulse des Lehrers:
- z.B. in Form einer informativen Einleitung ( heute wollen wir...)
- im Sinne einer Gliederung ( Wir wollen erst mal...)
- als Abgrenzung von anderen Inhalten der Stunde ( ehe wir.... müssen wir erst mal...)
- als Ermunterung der Klasse ( nehmt euch doch mal Zeit...)
- als Hinweis auf etwas Unterwartetes, Neues usw.
- Achten Sie bei Ihren Impulsen darauf, dass Sie die Schüler nicht zu mehreren Sachen gleichzeitig auffordern!
- Vermeiden Sie störende Impulse, wie Tafelbilder, die nichts mit Ihrem Stoff zu tun haben etc.!
- Halten Sie die Impulse, wie z.B. einzelne Schritte eines gezielten Arbeitsauftrages v.a. in der Unterstufe auch an der Tafel schriftlich fest!

Ein Lehrvortrag, eine Information über den Ablauf der Stunde, über die Ziele etc. entsprechen dem üblichen eher lehrerzentrierten Stundeneinstieg.
Durch eher moderierendes Erfassen von Vorwissen, durch Fragen mit Aufwärmcharakter, durch stark motivierende Fragen, die an den Interessen und dem Wissensstand der Schüler orientiert sind, kann der Einstieg ebenso schülerzentriert sein.
Im Kunstunterricht gehen starke Impulse vom jeweiligen Medieneinsatz aus. Das kann stumm geschehen oder mit einem gezielten Auftrag ( schaut euch mal das an...!) verbunden sein. Immer gilt das Gesetz der Lernprogression: Vom Einfach zum Schweren - d.h.: wählen Sie die ersten Fragen und die ersten Impulse nicht zu schwer!