Seminar für Kunsterziehung             am Erasmus-Grasser-Gymnasium, München                Seminarleiter  Martin Gensbaur 


Notengebung im Kunstunterricht

Wie in allen anderen Fächern des Gymnasiums finden auch in Kunsterziehung regelmäßige fachspezifische Leistungsmessungen statt. Benotet werden vor allem bildnerisch-praktische, aber auch schriftliche und mündliche Leistungsnachweise (vgl. GSO, V/S.92ff.). Die GSO spricht in unserem Fach ausdrücklich von "praktischen Leistungen". Laut § 49 der GSO können im Fach Kunsterziehung mündliche Leistungen durch praktische ersetzt werden. In Unter- und Mittelstufe ist dies die übliche Form des Leistungsnachweises. Ab der Klasse 11 kommen Klausuren, Kurzarbeiten (nicht an allen Schulen), Stegreifaufgaben (seit diesem Schuljahr auch im Leistungskurs möglich) und mündlichen Unterrichtsbeiträge hinzu. An manchen Schulen werden Stegreifaufgaben auch in Unter- und Mittelstufe geschrieben, wobei deren Noten innerhalb des Jahreszeugnisses wie praktische Leistungen gewertet werden. Über die speziellen Bestimmungen zur Notengebung in der Kollegstufe gibt es eine Reihe von Handreichungen (vgl. kusem, Kontaktbrief des ISB 1990).

Zensuren in Kunst? - Praktische Leistungen
Noten sind ein Merkmal von Schule und Schüler erwarten vom Lehrer Zensuren in jedem Fach. Zensuren können oft motivierender oder demotivierender sein als alle anderen pädagogischen und didaktischen Mittel, die dem Unterrichtenden zur Verfügung stehen. Kaum ein anderes Thema beinhaltet auch in unserem Fach soviel Konfliktstoff zwischen Lehrer und Schülern, wie das Thema Zensuren. Auch innerhalb der Fachdidaktik wird dieses Thema besonders seit den 60er Jahren immer wieder, teils kontrovers diskutiert.
Vor allem innerhalb musischer Konzepte des Kunstunterrichts finden sich Vertreter einer allgemeinen "Mittelzensur", die die Notenskala von 1 bis 6 möglichst nicht ausschöpfen, da zu strenge Benotung der freien und kreativen Entfaltung der Schüler im Wege stünde. Manche Fachdidaktiker sprechen sogar davon die Benotung im Kunstunterricht ganz abzuschaffen. Welche Folgen derartige Vorschläge für den Verbleib unseres Faches im Kanon der gymnasialen Fächer zu Zeiten knapper öffentlicher Kassen haben würde, muss wohl kaum ausgesprochen werden. Gunter Ottos Forderung, dass in unserem Fach nicht Kunst, sondern "Ergebnisse von Unterricht" zu bewerten sind, hatte Konsequenzen für den Unterricht selbst. Waren bei älteren Fachdidaktikern oft "Korrektheit und Sauberkeit" der Ausführung die einzigen Kriterien einer Bewertung von Schülerarbeiten, so gelten seitdem Objektivität, Lernzielbezogenheit und Transparenz als Merkmale einer gerechten Leistungsmessung im Kunstunterricht.

Grundregeln gerechter Bewertung
Grundsätzlich gilt, dass die späteren Bewertungskriterien schon in der Themenstellung genannt werden sollten. Bevor der Lehrer eine Aufgabe formuliert, muss er sich über die Kriterien der Benotung im Klaren sein. Typische Kriterien für die Bewertung praktischer Arbeiten sind z.B.: die Phantasie und der Ideenreichtum, der werkstoffgerechte Umgang, das Einhalten vorgegebener Richtlinien und die gestalterische Dichte, die Intensität und Sorgfalt, mit der ein Schüler sich mit einer Aufgabe auseinandergesetzt hat. Je präziser die Vorgaben des Lehrers bei der Einführung einer Aufgabe sind, desto transparenter werden auch den Schülern Lernziele und entsprechende Leistungsmessungen vermittelbar sein. Noten sollen immer lernzielbezogen sein, d.h. sie sollen immer im Zusammenhang mit einem im Unterricht behandelten Lernziel stehen. Notengebung soll immer möglichst transparent geschehen, d.h. der Lernende soll sich der Leistungsmessung bewusst sein, die Lernziele erkennen können, die Bewertungskriterien und den Bewertungsschlüssel ( v.a. bei schriftlichen Leistungserhebungen) wissen. Die Leistungsmessung sollte grundsätzlich in der Beherrschungsphase, nicht beim Einüben stattfinden. Diese grundsätzlich richtige Forderung stößt in unserem Fach vor allem bei der Begegnung mit neuen Materialien und Werktechniken rasch an ihre Grenzen. Für ausreichende vorherige Einübungsphasen fehlt dem Kunstunterricht in der Regel die notwendige Zeit. Gerade bei experimentellen, problemoffenen Themenstellungen kann von einer Beherrschungsphase kaum die Rede sein. Wechseln Sie demnach offenere Aufgabenstellungen mit objektivierbareren Anforderungen an die Schüler ab nicht nur Projektarbeit, Gruppenarbeiten etc)!

Fachspezifische Fehlerquellen
Es gibt darüber hinaus immer wieder fachspezifische Fehlerquellen bei der Bewertung von Schülerarbeiten im Kunstunterricht, deren Ursachen im Bereich der pädagogischen Psychologie zu suchen sind. Manche Pädagogen bevorzugen eher Mädchenarbeiten. Oft finden sich unterschiedliche Bezugssysteme, die einer objektiven Bewertung entgegenstehen. Dann sprechen die Lehrer selbst von einer "guten" oder "schlechten" Klasse. Grundsätzlich aber sollte gelten: gleiche Noten für gleiche Leistung! Bringt man bei der Bewertung einer Leistung die unterschiedliche Begabung der Schüler mit ins Spiel, so lässt sich der Wert einer individuellen Leistung nicht immer nach dem oben genannten Prinzip wirklich gerecht ausdrücken. Vorsichtig sollten Lehrer auch mit prognostischen Noten sein. Anonyme Benotungssysteme wirken derartigen Gefahren entgegen. Kaum ein anderes Fach stößt so häufig wie das Fach Kunst an Grenzen bei der Bemühung um objektive Noten. Oft bewertet der Lehrer Hilfestellungen, die er selbst gegeben hat ( man sollte sich davor hüten in Schülerarbeiten selbst hineinzuzeichnen). Wo bleibt Gerechtigkeit, wenn Schüler ihre angefangenen Arbeiten mit nach Hause nehmen (eine gängige Praxis bei immer unterschiedlicheren individuellen Arbeitstempi der Schüler)? Grundsätzlich gilt: gleiche Bedingungen für alle! Nehmen Sie sich auch einmal das Recht, eine Arbeit nicht mit nach Hause zu geben! Machen Sie sich auch einmal die Mühe ein Thema nach Einzelkriterien zu bewerten und die Note erst dann in einer Summe zu formulieren. Natürlich bleibt bei einem Fach mit 27 Wochenstunden und mit in der Regel mehr als 250 Schülern das raschere Evidenzurteil die allgemein üblichere Praxis.

Ergebnisse von Unterricht, also Noten, geben dem Lehrer wichtige Informationen über den Erfolg eines vorausgegangenen Lernprozesses. Umso wichtiger sollte deren Auswertung sein für die Planung künftiger Stunden (vgl. Stundenkozepte).

 

Lit. zu dem Thema: Otto G., Kunst als Prozeß im Unterricht, Hannover, 1964/68
Heinig, P, Repetitorium Fachdidaktik Kunst, Klinkhart Verlag, o.J.
Eid, Langer, Ruprecht, Fachdidaktik Kunst, o.O., o.J.